Beim Farbenspiel dem Inneren Raum und Ausdruck geben. Die Gedanken ziehen lassen. Die Seele kann durchatmen. Dasein in Stille, Farbe und Form.
Bewegungskunst
In dem von ihr gegründeten Bewegungsatelier widmet sich Johanna Saemann dem künstlerischen Aspekt von Bewegungen.
Ein- und Ausatmen
Im Taijiquan- und Qigong-Journal habe ich diese kleine Geschichte gelesen:
Buddha stellte eine Frage an seinen Schülerkreis: »Wie lange dauert das Leben?« Einer sagte: »Zwischen vierzig und fünfzig Jahre.« Ein Anderer äußerte sich: »Wenn man Übungen macht, kann man sechzig Jahre alt werden.« Ein Dritter sprach: »Wenn man den ganzen Tag von morgens bis abends fleißig übt, kann man auch über siebzig Jahre alt werden.« Buddha blickte schweigend in die Menge und sagte: »Das Leben besteht nur zwischen Ein- und Ausatmen.«
Diese kleine Geschichte hat mich nochmals achtsamer werden lassen für die Gegenwart. Das Leben, das ich im Jetzt lebe, ist das, was fühlbar und greifbar ist. Gedankenkarusselle, die sich doch immer wieder einstellen, lassen sich mit Buddhas Worten beruhigen: Das Leben besteht nur zwischen Ein- und Ausatmen. Ich habe es letztlich nicht in der Hand, wie lange ich lebe und was dabei passiert. Ich kann nur die Gegenwart gestalten, sie bewusst wahrnehmen. Ich kann versuchen, mein Herz zu beruhigen, meinen Körper und meine Seele pflegen, mir Gutes tun und achtsam sein. Das Leben besteht nur zwischen Ein- und Ausatmen. Den Atem haben wir immer dabei. Er braucht keinen Platz zum Üben, keine besondere Kleidung oder Trainingsgeräte, er kostet kein Geld und muss nicht extra erlernt werden. Über den Atem können wir uns zentrieren, in Fluss kommen und unsere Lebendigkeit wahrnehmen. Über den Atem wird das Leben in der Gegenwart fühlbar.
Johanna Saemann
Gedanken zur Yin-Energie
Für mich ist die momentane Lebenssituation eine Yin-Phase.
Die Lebensenergie äußert sich in den polaren Kräften von Yin und Yang. Yin und Yang sind die Ur-Qualitäten der Dualität. Diese beiden Kräfte kann man als grundlegende Bewegung des Lebens verstehen, die Veränderung, Entwicklung und Prozesse hervorruft und in Gang bringt. Auch in der Natur, am Beispiel der Jahreszeiten, sehen wir diese beiden Qualitäten und wie sich das Leben in ihnen ausdrückt und zeigt. Ohne den Herbst, also das Loslassen, und den Winter, also das Sich-sinken-Lassen und Sich-ganz-Zurückziehen, kann es keinen Frühling und keinen Sommer geben. Nichts würde ohne diese beiden Energien wachsen und gedeihen können.
Im Taijiquan erfahre ich Yin als eine komprimierende, sinkende, loslassende und schließende Energie. Sie ist schwieriger zu praktizieren und auch zu lehren. Im Taijiquan wird auch deutlich am eigenen Körper erfahrbar, dass Yang nur funktioniert wenn ich Yin beherrsche.
Wenn wir Yang als Fülle bezeichnen würden, wäre Yin die Leere. Leere kann erstmal Angst machen. Unser erster Impuls ist, sie zu füllen. Mit irgendwas. Auf jeden Fall tätig werden. Leere an sich ist schwer auszuhalten. Sich in die Leere sinken zu lassen ist ebenfalls schwer. Wir sind Handeln gewöhnt. Pläne, Aktivität, Bewegung die nach außen gerichtet ist, das alles ist uns vertraut und gibt uns ein Gefühl der Sicherheit. Dann haben wir es im Griff. Leere ist loslassen. Und darauf vertrauen, dass irgendwas trägt und uns entgegenkommt. Die momentane Situation zwingt uns in eine ruhigere, zurückgenommenere und kleinere Phase des Lebens. Eine Yin-Phase. Wir wissen nicht, wie lange sie dauern wird und wie viel leere Energie diese Phase hat.
Betrachten wir durch die Yin-Perspektive unser Leben, die Beziehungen, Handlungsmuster, Vorstellungen und Werte, uns selbst in dem von uns gestalteten Alltag, entdecken wir vielleicht viel Unsinniges, Erzwungenes, Unbedachtes und auch Ungewolltes. Viele dieser Dinge sind nun durch die äußeren Umstände weggefallen. Etwas wird leichter und bekommt Raum. Zentrale Fragen des Lebens tauchen auf, wir fangen an, das eine oder andere loszulassen, vermeintliche Wichtigkeiten werden nichtig, Handlungsweisen ändern sich. Wir haben Abstand zueinander, dafür aber vielleicht mehr Raum für unser Selbst. Auf Leere folgt immer Fülle und andersrum. Eine Gewissheit, auf die wir vertrauen können.
Wir können also diese Yin-Phase und die Yin-Perspektive nutzen für unser Selbst. Vielleicht wird es für den einen oder der anderen nur eine Erfahrung des Kontrollverlustes, der Angst und Einschränkung sein. Vielleicht wird dem einen oder der anderen bewusst, wie er oder sie in Ausnahmesituationen reagiert und was er oder sie fähig ist zu leisten. Vielleicht wird der eine oder die andere die Zeit als ein Geschenk betrachten. Ein Zeitgeschenk. Für das Wesentliche im Leben. Leerzeit um innezuhalten und zu schauen, was vielleicht auch noch wachsen will im Alltagsleben.
Ich kann die Yin-Energie in vielen Bewegungsabschnitten der Formen üben. Aber sie steht auch ganz am Anfang einer jeden Form. Ich stehe in Ruhe, und um überhaupt anfangen zu können, muss ich als erstes absinken. Ich muss loslassen, um in Bewegung zu kommen. Wie fühlt sich das an? Bis wohin sinke ich? Kann mein Geist innerlich mitsinken? Kann ich meine Energie mit der Bewegung sinken lassen? All das kann ich allein an diesem kurzen Bewegungsablauf üben. Ganz am Anfang.
Bewegung, Prozesse, Veränderungen entstehen durch die Kräfte von Yin und Yang. Die Yin-Energie ist die momentane Kraft, die wirkt. Das Taijiquan hilft mir besser, mit dieser Lebenssituation umgehen zu können. Besser verstehen zu können, was da gerade passiert und wie ich mich darin bewegen kann.
Im Zen-Buddhismus gibt es eine Weisheit die sehr gut passt:
Rühre an das Leere in deinem Leben,
und dort werden Blumen blühen.
Ich möchte euch Mut machen, die Yin-Energie zu erspüren und euch in die Leere sinken zu lassen. Sie ist so ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens und eine kraftvolle Energie, die wir selten deutlich wahrnehmen. Möge uns allen daraus Blumen blühen!
Seid herzlich gegrüßt!
Johanna Saemann
Achtsamkeitskärtchen
Worte können uns inspirieren, ermutigen, erinnern und unsere Seele ansprechen. Eigene Achtsamkeitskärtchen herzustellen ist einfach, und es braucht dazu nicht viel. Wenn sie fertig sind und ihren Platz gefunden haben, ermöglichen sie im Alltag Momente der Klarheit, Ruhe und Freude. Ich mag solche Karten und gerade in dieser Zeit tun sie mir besonders gut, wenn ich im Vorbeigehen einen Blick auf sie werfe.
Material: Papier oder Karton, Schere, Farben (hier Buntstifte und Aquarellfarben), Pinsel, optional: Lackstift, Marker, Permanentstift
- Male ein Papier nach Lust und Laune bunt an. Denke nicht über Formen und Farben nach. Lass die Farben ineinander fließen, übermale, kritzle, fühle dich frei. Komm einfach ins Tun.
- Schneide das Papier in Kärtchen unterschiedlicher Größen.
- Überlege dir, welche Worte du dir selbst übermitteln willst, welche dich motivieren, oder innehalten lassen, dir Kraft geben. Beschrifte die Karten mit dem Lackstift, Marker oder Pinsel.
- Finde einen Platz, wo die Karten angebracht oder aufgestellt werden können, sodass du sie immer wieder vor Augen hast.
Das hier darfst du als Impuls verstehen. Natürlich gibt es Unmengen von Möglichkeiten, solche Karten herzustellen. Übers Tun kommen dir vielleicht weitere Ideen. Dann folge ihnen.
Viel Freude und Kraft damit!
Johanna Saemann
Sprung ins Ungewisse
Dieses Bild habe ich im letzten Hebst gemalt:
Ein Sprung, kopfüber, ins Ungewisse. Ein Moment in der Schwebe. Und ein Perspektivenwechsel. Durch die veränderte Position erlange ich einen neuen Blick auf meine Umgebung und Lebenssituation. Durch das momentane Geschehen können wir Gewohnheiten und auch liebgewonnenen Abläufen des Alltags nicht mehr so einfach nachkommen. Manches müssen wir ganz aufgeben. Unser Alltag ist dadurch kleiner geworden, stiller auch, und erfordert Veränderung von Verhaltensweisen. Es ist eine Möglichkeit, einen neuen Blick auf uns selbst und unser Leben zu werfen. Klarheit zu erlangen, was wesentlich und unwesentlich ist. Zu erkennen, was eine Situation der Ungewissheit mit mir selbst macht. So ein Sprung erfordert Mut und Vertrauen. Dieser Moment in der Luft, den ich gemalt habe, ist mein momentaner Istzustand. Ich habe gewohnte, sichere Ebenen verlassen. Einerseits bringt das ein Perspektivenwechsel, das Sich-auf-Tun von Möglichkeiten mit sich. Andererseits ist da die Frage der Landung. Wo und wie? Hart oder weich? Werde ich es abfedern können oder mich verletzen?
Ich weiß, dass diese Gedanken gerade viele beschäftigen. Deshalb schicke ich heute dieses Bild und meine Gedanken dazu. Ich finde, es strahlt auch Kraft und Energie aus, die in jedem von uns auch wohnt. Und die uns in solchen Ausnahmesituationen helfen, Wege zu gehen, die vielleicht ein ungewisses Ziel haben, dafür aber einen anderen Blickwinkel auf das Leben ermöglichen.
Liebe Grüße an euch alle!
Johanna Saemann
Alles, was ich bin
Der neue Kurs »MalZeit« für Kinder hat angefangen und die nächsten zehn Mal drehen sich um das Thema »Alles, was ich bin«. Die letzten drei Stunden haben wir unsere Gefühle und Stimmungen genauer betrachtet, wahrgenommen und künstlerisch gestaltet. »Welche Gefühle kennt ihr? Was macht dich glücklich und was traurig? Wie fühlt sich das an?« Fragen, Spiele und letztlich auch das wunderbare Buch von Mies van Hout »Heute bin ich« haben uns dabei unterstützt, den Emotionen auf die Spur zu kommen und sie aufs Papier zu bringen. Ich freue mich riesig über die Ergebnisse und auf die nächsten Stunden mit den Kinder.
Johanna Saemann